Hardcover erschienen im März 2017 ISBN: 978-3-806-23478-7 Preis: 19,95 Euro Einzelband |
Seiten: 304 |
Der Krieg ließ keine Möglichkeit, an ein Morgen zu denken. Und wen interessierte nach dem Krieg das Gestern? Am Ende seines unglaublichen Lebens gelingt es Pivnik, einem der letzten Überlebenden von Auschwitz, darüber zu sprechen. |
Meine Meinung: Ich habe selten ein Buch gelesen, welches mich so nachhaltig bewegen konnte. Sam Pivnik beschreibt die grausamen Jahre in der Gefangenschaft in Ausschwitz sehr objektiv und ohne viel Selbstmitleid, und trotzdem schreit die Gewalt und das Unerträgliche nur so aus den Seiten von Der letzte Überlebende. Meine Angst, dass das Buch recht "trocken" und somit zäh zu lesen ist, war gleich nach den ersten Seiten verflogen. Der Autor schreibt interessant und flüssig, und auch, wenn ich es mit Jahreszahlen und den vielen Ortsnamen nicht so habe, konnte ich dem Geschehen sehr gut folgen.
Ich wollte das Buch lesen, weil ich viel zu wenig über diese dunkle deutsche Vergangenheit weiß und der Meinung bin, dass sie nie vergessen werden darf. Natürlich sind wir eine andere Generation, aber dennoch gehört es nun mal zu Deutschland und ich kann es nicht hören, wenn mir jemand mal wieder sagt: "Das muss man doch jetzt langsam mal ruhen lassen." Nein, man darf es nicht ruhen lassen, schon gar nicht in einer Zeit, wo Flüchtlings-Unterkünfte angegriffen werden und Menschen wieder gehäuft wegen ihrer Herkunft oder Religion angegriffen werden.
Sam Pivnik wurde 1926 in Polen, in der Stadt Bedzin geboren. Er ist Jude, sowie ein großer Teil der damaligen Einwohner. Anfangs spielt der Glaube seiner Familie in vielen Bereichen keine Rolle, Juden wie Nicht-Juden spielen gemeinsam im Garten Eden, wie sie ihr Viertel nennen. Als jedoch die Deutschen 1939 in Polen einmarschieren, ändert sich schnell das Leben der Juden. Nach Ausgrenzungen und Demütigungen werden sie schließlich 1943 deportiert und landen nach einer brutalen, und auszehrenden Reise in Ausschwitz-Birkenau, wo das Schlimmste erst beginnen soll.
Ich war beim Lesen nahezu durchgehend entsetzt über die Vorgehensweise der Nazis. Natürlich weiß ich einiges darüber, was damals passiert ist. Erst im letzten Jahr habe ich die KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar besucht und bei einem sehr ausführlichen und interessanten Vortrag zugehört. Die Atmosphäre des Ortes auf dem Ettersberg hat mich sehr bedrückt und beeindruckt. Buchenwald wird dem Buch von Sam Pivnik übrigens ebenfalls erwähnt. Doch trotz allem Vorwissen war ich erneut schockiert, was Menschen anderen Menschen antun können, wozu sie in der Lage sind und das nur, weil jemand einer anderen Religion angehört. Kinder und Frauen wurden einfach so ins Gas geschickt und letztendlich viele Millionen Menschen für nichts und wieder nichts gequält und getötet.
Nach der Ankunft in Ausschwitz wird auf der "Rampe" gleich selektiert. Der 17 jährige Sam verliert hier wahrscheinlich sofort seine Eltern und Geschwister, denn Frauen, Kinder und Männer, die zum Arbeiten nicht mehr zu taugen scheinen, werden ohne große Umwege in die Gaskammern geschickt. Von nun an werden die jüdischen Gefangenen schlechter wie Vieh behandelt, willkürlich wird brutal auf sie eingeschlagen, und bevor sie in ihre Unterkünfte gebracht werden, müssen sie sich einer weiteren, grausamen Prozedur unterziehen. Zuerst müssen sie eiskalt duschen, um sich danach nahezu sämtliche Körper-Behaarung wegscheren zu lassen, die dabei entstehenden Schnittwunden sollen noch längst nicht das Schlimmste sein. An dieser Stelle hätte ich heulen und das Buch an die Wand schmeißen können. Mir will einfach nicht in den Kopf, wie man Menschen so behandeln kann. Unendlich viele Juden, aber auch Nicht-Juden wurden wie Sam in KZs gesteckt, mussten grausame und unwürdige Behandlungen über sich ergehen lassen und körperliche Schwerstarbeit verrichten, ohne ausreichende Nahrung zu bekommen. Wer nicht mehr konnte wurde getötet, er war überflüssig.
Sam Pivnik erzählt emotional, aber dennoch auch sehr gefasst über sein Schicksal im Konzentrationslager, bis er dieses 1945 verlassen hat. Nach dem sogenannten Todesmarsch, bei dem erneut viele Juden umgebracht wurden, bis hin zu einem kurzen Aufenthalt auf dem Schiff Cap Arcona, das von den Engländern in der Annahme bombardiert wurde, dass sich dort SS-Offiziere aufhalten würden, sollte Sam endlich frei sein.
Sam Pivnik erzählt auch von der Zeit nach der Befreiung, von der Freiheit, sie sich zunächst sehr fremd anfühlt, Rachegelüste und von dem, was aus einigen Verantwortlichen geworden ist. Das Buch enthält einige geschichtliche Details und Fakten, die sehr interessant, erfreulich und erschütternd sind.
Ich möchte dieses Buch jedem ans Herz legen, bitte denkt nicht, dass Ihr das nicht schon wieder durchkauen wollt, es ist eine wirklich sehr interessante Lebensgeschichte. Das Buch hat mich aufgewühlt, extrem wütend gemacht und an einigen Stellen kamen mir die Tränen, aber genauso soll es sein, die Millionen Juden haben es verdient gehört und nicht vergessen zu werden. Sam Pivnik gehört zu den immer weniger werdenden Überlebenden des Holocaust und erzählt seine eigenen Erfahrungen, die einen Ausschwitz und das Schicksal der Juden erschreckend nahe bringen.
Ich bedanke mich herzlich für dieses Rezensionsexemplar bei
und